Landwirtschaft ist im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Viele von uns werden auch irgendwann den Kindheitstraum gehabt haben, Bauer zu werden. Dass diese Branche jedoch mehr umfasst als nur Traktorfahren und Kühe melken, wie man sich das als Kind vorgestellt hat, wird jedem einleuchten.
Die Wenigsten wissen, wie facettenreich und unterschiedlich landwirtschaftliche Betriebe, deren Strategien und Philosophien sein können und auch wie viele interessante Unternehmen es abseits von Stall und Acker gibt, die auf gut ausgebildete Agrarwissenschaftler und -wirtschafter angewiesen sind. Landwirtschaft ist keineswegs ein langweiliges, begrenztes Berufsfeld, in dem man „nur“ Bauer sein kann.
Ich selbst kam aufgrund unseres Familien-Betriebs auf die Idee, Landwirtschaft zu studieren. Das ein Betrieb jedoch KEINE Voraussetzung für dieses Studium ist, bewiesen ungefähr die Hälfte der Kommilitonen meines Jahrgangs, die nun nach Abschluss unseres Studiums in den zahlreichen Unternehmen der „grünen Branche“ zu arbeiten beginnen.

Das duale Studium
Trotz meines Agrarhintergrunds fühlte ich mich vergleichsweise schlecht vorbereitet auf ein agrarwissenschaftliches Studium. In der Schulzeit konzentrierte ich mich auf das Lernen sowie meine Hobbys und war wenig auf unseren Feldern unterwegs. Ich wusste nur sehr grob, was eigentlich in welcher Reihenfolge auf den Äckern geschieht und von Viehwirtschaft hatte ich überhaupt keine Ahnung. Um mich besser in der Sparte einzufinden, entschied ich mich deshalb, das Studium im dualen System zu beginnen.
Dual kann von Uni zu Uni viele verschiedene Bedeutungen haben. An der Hochschule Weihenstephan bedeutet es, neben dem „normalen“ Studium zusammen mit den „Vanilla“-Studierenden eine Ausbildung zum Landwirt abzuschließen. Mit Abschlussprüfung und Gesellenbrief.
Um diesen zweiten Abschluss zeitlich unterzubringen, startet man ein Jahr vor dem ersten Wintersemester auf seinem Ausbildungsbetrieb, hat eine verkürzte Berufsschulzeit in einer Klasse mit all den anderen LW dual Studierenden und verbringt das vorgeschriebene Praxissemester im vierten Semester wieder auf einem Ausbildungsbetrieb.
Auch während der ersten paar Semesterferien, muss man als „Duali“ arbeiten oder einwöchige Kurse absolvieren. Das sollte aber niemanden abschrecken, denn auch die „Normalen“ haben anfangs aufgrund ähnlicher Kurse wenig von ihren Ferien. Nur werden die nicht dafür bezahlt…
Rückblickend war es für mich die beste Entscheidung meines Studiums, den dualen Weg eingeschlagen zu haben. Das eine Jahr Ausbildung vor dem Beginn der Theoriesemester haben mich persönlich weitergebracht und mein Wissen in diesem Fachgebiet enorm ausgebaut. Das im Studium Erlernte konnte ich viel besser einordnen, verstehen und auch bewerten, da ich es in der Praxis zuvor mit all seinen Vor- und Nachteilen erleben durfte.
Besondere Bedeutung hatte für mich aber auch unsere Klassengemeinschaft der dual Studierenden. Wir kannten uns durch die Berufsschule und Kurse so gut, dass wir nicht allein in Freising starten mussten, sondern als Gruppe von Freunden, was mir persönlich den Start deutlich erleichtert hat.
Studienverlauf
Das duale Studium unterschied sich während der Semester nicht von dem der „Nicht-Dualis“. Wie nahezu überall startet man mit einem Grundstudium. Dieses umfasst naturwissenschaftliche Fächer wie Chemie, Physik und Biologie sowie Mathematik auf Oberstufenniveau und etwas darüber. Ergänzt wird es von Anfang an mit landwirtschaftlich spezifischen Fächern wie Anatomie und Physiologie der Nutztiere, Bodenkunde und Landtechnik.

Im weiteren Verlauf des Studiums wird man die Bereiche Tierische & Pflanzliche Erzeugung, Agrarökonomie, Recht, Steuern und Politik kennenlernen. Die bedeutendsten Bereiche (die ersten drei genannten) werden dabei mit mehreren Modulen (das sind die „Fächer“ an Hochschulen) über mehrere Semester hinweg bis ins Detail behandelt.
Die HSWT legt dabei großenWert auf Praxisnähe. D. h. es finden Übungen auf dem Feld und im Labor statt, es werden viele Beispiele aus der Praxis gebracht, Exkursionen zu Betrieben werden veranstaltet (überwiegend in den höheren Semestern) und so weiter.
Im vierten Semester dürfen die Studierenden auf einem landwirtschaftlichen Betrieb ein Praktikum machen und parallel Berichte zu diesem anfertigen. Am Ende der „Ausbildung light“ gilt es, eine praktische Prüfung abzulegen.
Die Dualstudierenden bringen währenddessen ihre Ausbildung zu Ende und sind danach offiziell Landwirte. Ich persönlich fand es sogar leichter, Azubi zu sein, als die von der Hochschule geforderten Berichte ausfüllen zu müssen und die Prüfung dort abzulegen. Den Vergleich hatte ich, weil auf meinem Betrieb sowohl ich als „Duali“ als auch eine „normale“ Studierende waren.
Nach dem Praxissemester splittet sich der Jahrgang teilweise auf und wählt einen von vier Schwerpunkten mit je eigenen Vorlesungen. Zur Wahl stehen die ökologische Landwirtschaft, die Agrarökonomie, die pflanzliche oder die tierische Erzeugung. Nun hat man auch nur noch wenige gemeinsame Module, wie zum Beispiel Agrarpolitik.
Die Stofftiefe ist während des kompletten Studiums so tief wie nötig, um fachlich fundierte Entscheidungen in der Praxis treffen zu können und Beobachtungen zu verstehen, jedoch auch immer so flach wie möglich. Für eine Karriere in der Wissenschaft wäre meiner Meinung nach zusätzliches Wissen nötig, das eher an einer Universität wie der TUM vermittelt wird.
Studienort
Apropos TUM: Die HSWT teilt sich in Freising den Campus mit der technischen Universität München. Dadurch besuchen wir dieselbe Mensa und können auch in der TUM Bibliothek lernen und Bücher ausleihen. Die Lehrräume sind jedoch getrennt und wir haben unsere eigenen modernen Gebäude mit wohlklingenden Namen wie „D1“ oder „A4“.
Freising/Weihenstephan ist von einer netten Altstadt mit sehenswerten Gebäuden und bei den Studierenden beliebten Wirtschaften und Bars geprägt. Als Studentenstadt ist es nicht verwunderlich, dass man viele junge Menschen auf den Straßen sieht. Die umliegenden Ortschaften sind gemütliche, kleine, bayerische Siedlungen, die sich ebenfalls als WG-Standorte eignen. Dort liegt auch der Pullinger See, der ein beliebter Treff im Sommer für die Freisinger Studenten ist.
Die Wohnungssituation ist etwas entspannter als in München, preislich jedoch stark von der Weltstadt beeinflusst. Das Zentrum der Landeshauptstadt kann man leicht mit der S-Bahn erreichen, für eine Anreise aus dem Münchner Umland per ÖPNV ist Freising jedoch nicht sonderlich gut angebunden, so wie ich es erlebt habe. Es gibt in Fuß- und Radreichweite mehrere Studentenwohnheime mit gewissen Wartezeiten, die du beim Studentenwerk nachschlagen kannst.
Ich selbst wohnte leider nie fest in Freising, da ich von meinem Wohnort die Hochschule gut erreichen konnte. Ein Problem in Freising ist leider die Parkplatznot in der Nähe der HSWT-Gebäude. Ein kleiner Fußweg ist für Menschen wie mich, die gerne „pünktlich“ erscheinen, in Kauf zu nehmen, da kurz vor Vorlesungsbeginn alle Parkplätze vor dem Gebäude in der Regel bereits belegt sind.
Umwelt
Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ist bekannt dafür, für die „grünen Branchen“ auszubilden. So verwundert es nicht, dass man viele Grünflächen auf und um den Campus findet und auch der Umweltgedanke und das Nachhaltigkeitsbewusstsein einen hohen Stellenwert in der Lehre, aber auch in den allgemeinen Aktivitäten der Hochschule haben.
Die Landwirtschaft arbeitet immer mit der Umwelt und ist darauf angewiesen, dass diese intakt ist und langfristig bleibt. Wer dazu seinen Beitrag leisten möchte, wird in Freising viele neue Ideen kennenlernen und darauf vorbereitet, diese auch umsetzen zu können.

Auslandsaufenthalte
Studiert man Landwirtschaft, ist ein Auslandsaufenthalt im Rahmen eines Auslandssemesters oder -praktikums nicht Usus. Dass es unmöglich ist, stimmt aber auch nicht!
Ich persönlich habe es sogar zweimal ins EU-Ausland geschafft und durfte ein sechswöchiges Praktikum in der Ukraine im Rahmen meiner Berufsausbildung (wird hier immer angeboten) und ein dreimonatiges Praktikum in Japan ergänzend zu meinem Studium absolvieren.
Die hochschulinternen Stellen für solche Vorhaben unterstützen dabei tatkräftig und helfen bei der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten. Wer Initiative und Willen mitbringt, kann sogar ein im Studiengang Landwirtschaft sehr selten durchgeführtes Auslandssemester in die Wege leiten.
Meine Erfahrung: Es ist vieles möglich, wenn man einfach nur ein bisschen fragt.

Studienalltag
Ich kann beruhigen. Studieren ist für Studienanfänger an der HSWT keine große Umstellung zur Schule. Man hat einen online einsehbaren Stundenplan mit Vorlesungen (ich empfehle diese dann auch zu besuchen), (Pflicht-)Übungen, in denen der Stoff anhand von Beispielen geübt wird, sowie (Pflicht-)Praktika, in denen beispielsweise Biologie und Anatomie zum Anfassen gelehrt werden.
Am Ende des Semesters gibt es eine Prüfungsphase, in der alle Module des Semesters abgeprüft werden. Außer den bis zu drei Prüfungen pro Woche, findet in dieser Zeit nichts statt.
Referate und Präsentationen werden insbesondere in den höheren Semestern relevanter und auch Studienarbeiten können dann (zum Teil schwerpunktabhängig) vorkommen, sind aber im Vergleich zu anderen Studiengängen kaum von Bedeutung.
Alle nötigen Informationen werden online zur Verfügung gestellt und Anmeldefristen für Module, Übungen/Praktika und Prüfungen werden rechtzeitig per Mail bekannt gegeben. Wo man schon bei der wohl größten Schwierigkeit für einige Studierende wäre: Das eigene Mail-Postfach zu lesen.
Wer sich jedoch zutraut, täglich einen Blick dort hineinzuwerfen und einen Kalender bedienen kann, dürfte mit der Studiumsorganisation keine Probleme bekommen.
Die Mittagspause kann man entweder in einem der zahlreichen Imbisse in der Nähe oder in der Mensa verbringen. Das Essen dort fand ich immer gut und preislich unschlagbar.
Partys gibt es zahlreiche. Die in der Stadt ansässigen Studentenverbindungen feiern ebenso wie manche Studiengänge gern und oft, was es leicht macht, seine Abende nach der Hochschule zu füllen.
Die LW Studenten verabreden sich auch jährlich zu einer gemeinsamen Busfahrt ins bekannte Spinnradl am Spitzingsee. Eine „Exkursion“ die sich immer höchster Beteiligung erfreut. Außerdem wird jedes Jahr das Weihenstephaner Maifest veranstaltet, bei dem Professoren, Alumni und Studierende zusammenkommen, um gemeinsam den Maibaum aufzustellen und zu feiern.
Aufzählen könnte ich noch viel mehr solcher Veranstaltungen, aber sieh‘ doch einfach selbst, wenn du beginnst Landwirtschaft zu studieren. ;)
Praxis
Die HSWT hat sich zur Aufgabe gemacht und ist stolz darauf, eine sehr praxisnahe Hochschule zu sein. Die Studierenden diskutieren den Wahrheitsgehalt dieser Aussage regelmäßig und kontrovers. Ich denke, manch einer verwechselte das Studium mit einer Berufsausbildung und wünschte sich deshalb mehr Zeit auf dem Feld und im Stall.
Persönlich fand ich, dass man durch die angepasste Stofftiefe, die Praktika, das Praxissemester und die Gestaltung der Vorlesungen durchaus sehr praktisch unterwegs war.
Wem das nicht reicht, der sei herzlich eingeladen, das duale Studium zu bestreiten. Eine Empfehlung für alle, die noch mehr Praxis und besseres Verständnis der Materie haben wollen.
Auch kann man durch sehr praktische Wahlmodule und Kurse seinen Praxisanteil deutlich nach oben schrauben. Angeboten werden zum Beispiel Kettensägen-, Geburtshilfe- (Rind – nicht Mensch) oder Klauenpflegekurse („Pediküre“ für Rinder).
Semesterferien
Anfangs kaum (Ausbildung und Kurse), später mehr. Prüfungen in der Regel in den ersten 3 bis 4 Wochen nach Vorlesungsende im „Prüfungszeitraum“. Die genauen Daten findest du easy und aktuell im Internet.
Prüfungen
In den meisten Fällen schreibst du am Ende eines Semesters eine Prüfung pro Modul. In manchen Fächern (insbesondere in höheren Semestern) kann, wie oben erwähnt, mal noch eine kleine benotete Präsentation dazukommen. Im Schwerpunkt ökologische Landwirtschaft wurden ganze Arbeiten daheim im Team erstellt, die einen Großteil der Note ausgemacht haben.

Corona und Onlinelehre
Ich fiel mit meinem Studium voll in die Corona-Zeit. Daher möchte ich kurz ein paar Worte über den Onlineunterricht und das „Krisenmanagement“ der HSWT verlieren.
Ich war beeindruckt, wie schnell und effizient die Hochschule einen Onlineunterricht aus dem Boden gestampft hat. Die Dozenten haben die Möglichkeiten der Lernplattform Moodle sehr zügig genutzt, wobei starke Unterschiede zwischen den Lehrkräften festzustellen waren, wie intensiv sie sich damit beschäftigten.
Diesen „Digitalboost“ haben sie sich auch nach der Pandemie beibehalten und somit ihre Lehre, meiner Meinung nach, deutlich verbessert.
Mit reinen Onlineveranstaltungen ging jedoch ein ganz wichtiger Austausch mit meinen Kommilitonen verloren, der mir insbesondere in der Landwirtschaft so viel geholfen hat. Viele von uns hatten ja bereits einen Betrieb daheim und konnten somit wertvolle Praxiserfahrungen mit in die Vorlesungen bringen. Die daraus resultierende Diskussion ging online leider nahezu unter.
Fazit: Die HSWT kann sich schnell an neue Gegebenheiten anpassen und bietet dozentenabhängig ausgezeichneten digitalen Content für ihre Lehre. Ich empfehle dir aber trotzdem, in Präsenz zu erscheinen, da du besonders in der Agrarwirtschaft viel vom Austausch mit deinen Kommilitonen lernst.
Gesamtfazit
Das Studium Landwirtschaft an der HSWT bereitet dich hervorragend auf eine Tätigkeit als Betriebsleiter in einem landwirtschaftlichen Betrieb oder in jedem Beruf, der Kontakt mit Landwirten hat, vor. Du lernst alle Bereiche der Branche kennen und kannst sie praxisorientiert einordnen, bist aber nicht unbedingt für eine Forschungskarriere angedacht.
Wenn du das Handwerk der Landwirte intensiver als im Praxissemester lernen und dir ein besseres Hintergrundwissen aneignen möchtest, wähle das duale Studium. Die Lehre ist modern und anschaulich.
Freising ist schön, die Studenten wie eine Großfamilie und die Stimmung gut, zu der du auch beitragen kannst und solltest. Ein Studium hier kann ich dir wärmstens empfehlen!
Mein Tipp zum Schluss
Die HSWT hat eine gute Internetseite, auf der alle Schritte, die für eine Bewerbung nötig sind, ausführlich erläutert werden. Außerdem kann man sich dort hervorragend Details zu seinem Studiengang und dessen Ablauf anlesen.
Wenn du dir irgendwo unsicher bist, schau einfach dort nach. Auf die Infos ist Verlass und du kannst dich daran entlanghangeln, bis die Immatrikulation abgeschlossen ist.

Ich hoffe, ich konnte dir den Studiengang Landwirtschaft in Freising schmackhaft machen und würde mich freuen, wenn man sich in Zukunft vielleicht einmal auf einem Alumni-Treffen an der HSWT sieht.
Viel Spaß und Erfolg im Studium!
Dein Martin